“On the long run we are all dead” antwortete John Maynard Keynes zur Vorsagequalität seiner ökonomischen Modelle. Wenn es nach den Transhumanisten geht, dann sticht das Argument nicht mehr lange.
Mark O’Connell hat sich für sein Buch “To be a machine” auf die Reise gemacht und Menschen besucht, welche den Tod mit unterschiedlichen Strategien überwinden wollen. Sei dies durch Einfrieren des Körpers oder durch Upload des Hirns in die Cloud. Sein Buch gibt einen vertieften Einblick in die aktuelle Welt der Transhumanisten und ihrem Ziel unsterblich zu werden.
Aber was ist denn genau der Transhumanismus:
“A broad definition: transhumanism is a liberation movement advocating nothing less than a total emancipation from biology itself. There is another way of seeing this, an equal and opposite interpretation, which is that this apparent liberation would in reality be nothing less than a final and total enslavement to technology.”
Es geht also darum die Biologie zu überwinden und das mittels Technologie. Transhumanisten akzeptieren den Tod nicht. Alle die den Tod akzeptieren verfolgen aus ihrer Sicht nur eine überholte “Todes-Ideologie”:
“My arguments, Roen insisted, were transparently motivated by a “deathist” ideology—a need to protect myself against the terror of death by trying to convince myself that death was actually not so terrible. As crazy as most of what Roen had said sounded to me, he was, I thought, basically right about this.”
Der Kern des Problems für Transhumanisten ist unser Körper. Wir sind darin gefangen und deshalb dem Verfall ausgeliefert. Es ist eine ärgerliche Tatsache. Transhumanisten suchen nach Wege uns von unseren Körpern zu befreien.
“There was the truth of its premise, that we were all of us trapped, bleeding, marked for death. And there was the strangeness of its promise, that technology could redeem us, release us from that state. These things both did and did not connect.”
Wenn primär der Körper das Problem ist, dann braucht es eine Lösung dafür. Der Tod wird zum rein technischen Problem und technische Probleme sind lösbar.
“Death, in this view, was no longer a philosophical problem; it was a technical problem. And every technical problem admitted of a technical solution. I remembered.”
Gerade der Trend der Digitalisierung könnte die Lösung bringen. Wir müssen nur rausfinden, wie wir unseren Geist digitalisieren könnten, um nicht sterben zu müssen. Im Zuge der Digitalisierung können wir uns auch noch mit neuen Fähigkeiten upgraden:
“And this, obviously, is no small claim. We are talking about not just radically extended life spans, but also radically expanded cognitive abilities. We are talking about endless copies and iterations of the self. Having undergone a procedure like this, you would exist—to the extent that you could meaningfully be said to exist at all—as an entity of unbounded possibilities.”
Einzige Herausforderung von aktuellen Lösungsansätzen ist, dass das biologische Hirn im Zuge der Digitalisierung zerstört werden könnte. Es stellen sich neue Fragen, wenn jede Hirnzelle als digitale Kopie vorhanden ist. Bin ich wirklich meine eigene digitale Kopie?
“Even if you allow that the upload is conscious, and that the way in which that consciousness presents itself is indistinguishable from the way I present myself, does that make it me? If the upload believes itself to be me, is that enough? (Is it enough that I believe myself to be me right now, and does that even mean anything at all?)”
Vor neuen Geschäftsmodelle sind auch Transhumanisten nicht gefeigt. Ein Upload in die Cloud wird teuer sein. Wer sich nicht die Premium-Version leisten kann, der kann sich dank Werbung auch günstiger digitalisieren lassen.
“What if the immortalization procedure, the emulation and the upload, wound up being so expensive that only the extremely wealthy could afford the ad-free premium subscription, and the rest of us losers had to put up with subsidizing our continued existence through periodic exposure to thoughts or emotions or desires imposed from above, by some external commercial source, in some hellish sponsored content partnership of the self?”
Leider stecken aber die meisten Ansätze den Tod zu überwinden noch in den Kinderschuhen und es dauert noch eine Weile bis sie funktionieren. Auch das ist kein Problem für Transhumanisten. Man muss einfach jedes Jahr das Leben um mehr als ein Jahr verlängern und schon hat man alle Zeit der Welt bis zur Verfügbarkeit der Unsterblichkeit.
“He was referring here to the scenario, projected by the life extension impresario Aubrey de Grey, a scientific advisor at Alcor, whereby for every year that passes, the progress of longevity research is such that average human life expectancy increases by more than a year—a situation that would, in theory, lead to our effectively outrunning death.”
Sein Bericht über Transhumanisten fasziniert und regt zum Denken an. Soll man wirklich seinen Körper kurz vor dem Tod einfrieren lassen und in eine, einsamen Tank in der Wüste die Jahrhunderte überdauern bis jemand einen Weg für das auftauen gefunden hat? Will man in der Cloud eines Anbieters rumgeistern? Das Buch ist gerade im Zuge der regelmässigen medialen Spekulationen rund um die Überwindung des Todes spannend, da es einen Blick hinter die Kulissen erlaubt. Konkret: Wer sind die Transhumanisten, was denken sie, wie argumentieren sie, wo stehen sie aktuell auf dem Weg zur Unsterblichkeit?
Aber vielleicht ist ihr Ziel gar nicht so neu, sondern einfach eine modernisierte Variante der Reinkaration.
“Beneath the talk of future technologies, I could hear the murmur of ancient ideas. We were talking about the transmigration of souls, eternal return, reincarnation. Nothing is ever new. Nothing ever truly dies, but is reborn in a new form, a new language, a new substrate.”
(Zitate gesammelt für Dias del Muerte mit Cho Linska, im Dock18 im November 18. Angepasst und veröffentlicht im Juli 2018)